#1 Trauma in Unternehmen
Bewusstsein schaffen und Menschen stärken
Hast du dich jemals gefragt, wie unsichtbare Wunden Deine Entscheidungen als Führungskraft beeinflussen könnten? In dieser einfürhenden Episode von trauma@work beleuchtet Ivana Scharf, warum Traumata in Unternehmen mehr Präsenz verdienen – was Traumata sind und wie sie wirken. Sie spricht auch darüber, wie unsichtbare Wunden unsere Entscheidungen, unser Verhalten und unsere Beziehungen im Arbeitskontext prägen. Du erfährst, was Trauma bedeutet, wie es sich zeigt – individuell, kollektiv und in der Organisationsstruktur – und warum ein traumakompetenter Umgang entscheidend für gesunde Führung, psychologische Sicherheit und nachhaltigen Unternehmenserfolg ist. Eine Folge für alle, die Teams stärken, Menschlichkeit fördern und Veränderung wirksam gestalten wollen.
Trauma in Unternehmen: Weshalb Führungskräfte hinschauen sollten
Unverarbeitete Erfahrungen prägen das Führungsverhalten oft unbewusst. Davon betroffen sind Entscheidungen, Kommunikation und Beziehungen im Unternehmen – auch wenn die Ursachen unter der Oberfläche schlummern. In diesem Beitrag erfährst du, wie sich Traumata im Unternehmenskontext zeigen und was du als Führungskraft tun kannst, um ein traumasensibles Umfeld zu schaffen.
Was ist ein Trauma überhaupt?
Der Begriff „Trauma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Wunde“. Doch Traumata sind nicht nur die Folge von offensichtlichen Katastrophen. Auch subtilere Erfahrungen – wie emotionale Vernachlässigung oder wiederholte Zurückweisung – können tiefe Spuren hinterlassen.
Dr. Gabor Maté beschreibt Trauma als das, was im Inneren eines Menschen passiert – nicht nur das belastende Ereignis selbst. Das bedeutet auch: Fast jeder Mensch trägt traumatische Prägungen mit sich. Die Frage ist nicht ob, sondern wo im Traumaspektrum wir uns selbst verorten können.
Arten von Traumata im Arbeitskontext
Für den Unternehmenskontext ist es hilfreich, Traumata wie folgt zu differenzieren:
Schocktrauma: Plötzliche, überwältigende Ereignisse (z. B. Unfall, Verlust).
Entwicklungstrauma: Prägungen aus der Kindheit durch Vernachlässigung, psychische Belastung in der Familie oder Parentifizierung.
Bindungstrauma: Fehlende sichere Beziehungen zu Bezugspersonen in der frühen Entwicklung.
Transgenerationale Traumata: Weitergabe von unverarbeiteten Erfahrungen über Generationen hinweg – häufig unbewusst.
Kollektive Traumata: Traumatische Ereignisse, die eine ganze Gruppe betreffen (z. B. Krieg, Diskriminierung, gesellschaftliche Umwälzungen).
Organisationstrauma: Historische Ereignisse in Unternehmen wie Merger, Skandale, Massenentlassungen oder toxische Unternehmenskultur.
Weshalb werden Traumata so selten erkannt?
Ein Trauma ist nicht das Ereignis, sondern die körperliche und psychische Reaktion darauf. Im Moment der Überforderung reagiert unser Nervensystem mit Kampf, Flucht oder Erstarren. Wenn diese Alarmbereitschaft unaufgelöst bleibt, wirken sich alte Emotionen noch Jahre später aus – oft, ohne dass wir es bewusst merken.
Gerade Führungskräfte, die gelernt haben, „funktionieren“ zu müssen, überhören die Signale ihres Körpers. Das kann zu Erschöpfung, Überkontrolle oder übersteigerter Leistungsbereitschaft führen.
Wie zeigen sich Traumareaktionen im Joballtag?
Auch wenn ein Trauma nicht sichtbar ist, zeigt es sich oft indirekt:
Emotionale Reaktionen: Angst, Scham, Wut, emotionale Taubheit
Körperliche Symptome: Verspannungen, Schlafstörungen, chronische Schmerzen
Verhalten: Konfliktvermeidung, Rückzug, Überanpassung oder impulsive Reaktionen
Im Unternehmen können sich diese Muster in Mikromanagement, fehlendem Vertrauen, wiederkehrenden Konflikten oder Burnout zeigen. Auch durch Hochleistung, getrieben von unbewussten Mustern aus der Kindheit.
Traumasensibles Führen: Was bedeutet das konkret?
Führungskräfte müssen keine Therapeuten sein. Doch sie können:
sich selbst reflektieren und die eigenen Prägungen erkennen
empathisch kommunizieren und aktiv zuhören
ein Bewusstsein für psychologische Sicherheit schaffen
eine gesunde Unternehmenskultur fördern, in der Offenheit und Menschlichkeit gelebt werden
Trauma-Kompetenz bedeutet, nicht nur Symptome zu erkennen und zu managen, sondern die tieferen Ursachen zu verstehen – und dadurch gesündere Dynamiken zu etablieren.
Fazit: Trauma betrifft uns alle – auch am Arbeitsplatz
In Unternehmen wirken Traumata auf drei Ebenen:
Gesellschaftlich: z. B. durch Krieg, Armut, Diskriminierung
Organisatorisch: z. B. durch toxische Kulturen oder Unternehmenskrisen
Individuell: z. B. durch persönliche oder familiäre Prägungen
Trauma-Kompetenz ist kein Nice-to-have, sondern ein entscheidender Schlüssel für gesunde, erfolgreiche Führung. Indem du dich als Leader mit dem Thema auseinandersetzt, schaffst du Raum für Heilung, Vertrauen und nachhaltiges Wachstum – für dich selbst, dein Team und dein Unternehmen.
Weiterführende Ressourcen
Du interessierst Dich dafür wie Dr. Gabor Maté das Traumaspektrum beschreibt und warum uns das alle betrifft? Das im Podcast genannte Buch ist: Gabor Maté, Daniel Maté: Vom Mythos des Normalen. Wie unsere Gesellschaft uns krank macht und traumatisiert – Neue Wege zur Heilung. New York Times Bestseller. Es ist 2023 im Kösel Verlag (München) erschienen und hat 624 Seiten. ISBN 978-3-466-34798-8. (→ Link)
Das von Bessel van der Kolk erwähnte Buch „The Body Keeps the Score. Brain, Mind, Body in the Healing of Trauma ist 2014 im Viking Verlag erschienen und hat 464 Seiten. ISBN 978-0-670-78593-3
Die deutsche Übersetzung mit dem Titel: Das Trauma in dir. Wie der Körper den Schrecken festhält und wie wir heilen können, ist 2023 als Ullstein Taschenbuch erschienen und umfasst 656 Seiten. ISBN 9783548067490 (→ Link)
Podcast-Episode mit Lieske Struthof zum Thema HR & Trauma (→ Link)
Coaching & Begleitung durch Ivana Scharf (→ Link)